Messingtafeln vor ehemaligem Waisenhaus sollen an Schicksal jüdischer Mitbürger erinnern
Drei Stolpersteine wurden vor dem ehemaligen jüdischen Waisenhaus verlegt. Ein Stein soll an das Waisenhaus, der zweite an die letzte Leiterin Liese Dreyer, der dritte an die Erzieherin Ella Feldmeier erinnern. Foto: Jörn Hannemann Drei Stolpersteine wurden vor dem ehemaligen jüdischen Waisenhaus verlegt. Ein Stein soll an das Waisenhaus, der zweite an die letzte Leiterin Liese Dreyer, der dritte an die Erzieherin Ella Feldmeier erinnern. Foto: Jörn Hannemann
Paderborn (mba). Vor dem ehemaligen jüdischen Waisenhaus in Paderborn sind jetzt auf Initiative von Schülern der Friedrich-Spee-Gesamtschule drei Stolpersteine verlegt worden – die ersten in Paderborn.
Messingtafeln erinnern fortan am Eingang der LWL-Pauline-Schule an der Ecke Leostraße/Husener Straße unweit des Kasseler Tors mit eingravierten Namen an die Opfer des Nazi-Regimes. Dort befand sich von 1863 bis 1942 das von der Paderbornerin Fanny Nathan gegründete jüdische Waisenhaus. Ein Stein soll an das Waisenhaus, der zweite an die letzte Leiterin Liese Dreyer, der dritte an die Erzieherin Ella Feldmeier erinnern. Das jüdische Waisenhaus spielte nach Angaben von Monika Schrader-Bewermeier, Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, in der sozialen Arbeit der Stadt eine bedeutende Rolle. Im Februar 1942 beanspruchte der Kreis Paderborn das Gebäude, um es der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt zu überlassen. Die meisten Kinder und ihre Betreuer wurden in eine jüdische Gartenbauschule bei Hannover gebracht, von wo aus sie in Ghettos und Vernichtungslager deportiert wurden. Niemand kehrte zurück. Auch die Leiterin Liese Dreyer wurde ermordet.
Die Friedrich-Spee-Schüler befassen sich bereits seit fünf Jahren mit dem Schicksal der jüdischen Waisen. Alles begann im Schuljahr 2014/15 mit dem Projektkurs „Paderborn zur Zeit des Nationalsozialismus“. Mit ihrem Lehrer Daniel Raths erarbeiteten die Schüler die Lebensgeschichten der Waisenkinder. Dabei entstand die Idee, Stolpersteine zu verlegen. Doch es gab Widerstand gegen die Verlegung – unter anderem von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Dazu erklärt Schrader-Bewermeier, dass es im Vorstand der Gesellschaft wiederholt Gespräche über die Verlegung der Steine gegeben habe, sie sei jedoch seitens der jüdischen Kultusgemeinde von den KZ-Überlebenden abgelehnt worden. Der Vorstand der Gesellschaft fühle sich an diese Ablehnung gebunden. „Wir können den Überlebenden der Shoa nicht vorschreiben, wie ihrer gedacht werden soll“, sagt Schrader-Bewermeier. Der Verlegung der Steine sei nun aber zustimmt worden – nicht zuletzt wegen des großen Engagements der Schüler. So ließ der Künstler Gunter Demnig schließlich die Steine in den Gehweg ein. Ende Dezember wird Demnig nach eigenen Angaben den 75.000 Stein verlegen. Diese Art der Erinnerung gebe es mittlerweile in 26 Ländern.
Lothar Schlegel, Leiter der Friedrich-Spee-Gesamtschule, verwies darauf, dass es wichtig sei, den Ermordeten ihre Namen zurückzugeben. Schrader-Bewermeier bedankte sich bei Lehrern und Schülern für deren Recherchen und Initiative. Sie erinnerte daran, dass Gedenken immer auch in die eigene Zeit schauen müsse. Mühsam errungenes Gut dürfe nicht gedankenlos aufs Spiel gesetzt werden.
© Westfalenblatt 16.12.2019