Wieviel Bäume gibt es eigentlich in Estland? Diese und andere Fragen haben wir uns während unserer Erasmusfahrt nach Estland gestellt, denn vom 02.05.-07.05.24 besuchte der Projektkurs Kunst zusammen mit Frau Dahm und Herrn Hennemann unsere Partnerschule Kääpa Kool in Võru im Süden Estlands. Zusammen mit spanischen und estnischen Schülerinnen nahmen wir an zahlreichen interessanten Programmpunkten teil, die alle, so wie auch des Thema des Erasmusprojektes unter dem Oberthema Nachhaltigkeit standen.
Am Donnerstag reisten wir von Paderborn über Tallinn nach Võru. Bei bestem, sonnigem Wetter bekamen wir auf unserer knapp vierstündigen Anreise von Tallinn einen ersten Eindruck davon, wieviel Wald es in Estland gibt, denn links und rechts der Straße konnten wir Bäume über Bäume, Wälder und Forste in den unterschiedlichsten Grüntönen bewundern. In Võru angekommen machten wir noch eine kleine Erkundungstour und spazierten zum wunderschönen See, um den Sonnenuntergang zu bewundern.
Bäume und Wälder standen auch am zweiten Tag im Mittelpunkt. Wir besuchten zunächst das Nationalparkzentrum im Karula Nationalpark, wo wir viel über die traditionelle historische Lebensweise der Esten lernten. Einige dieser Traditionen haben sich bis heute erhalten, wie etwa die Rauchsauna, die uns besonders beeindruckt hat und auch heute noch einen festen Platz im Leben vieler Esten einnimmt.
Während unserer anschließenden Wanderung durch den wunderschönen Wald des Nationalparks zeigte uns unser Guide Helen viele einheimische Pflanzen und erklärte ihre Rolle im Wald und die Wichtigkeit des Erhalts der Biodiversität für gesunde Wälder. Denn gesunde Wälder sind sehr wichtig für Estland, da Holz eine der wichtigsten Ressourcen in Estland darstellt. Es wird viel stärker als in Deutschland auch als Rohstoff für Baumaterial oder auch zum Heizen genutzt. Auch in Võru stehen einige sehr große Sägewerke, die extrem viel Holz weiterverarbeiten müssen, damit sie rentabel arbeiten können. Mittlerweile gibt es jedoch auch in Estland viele kritische Stimmen, die sagen, dass zu viel Fläche abgeholzt wird und sich die Wälder nicht schnell genug erholen können und es gibt nun zahlreiche ausgewiesene Gebiete, die stark geschützt sind und in denen gar kein Holz mehr entnommen werden darf. Neben der Abholzung gibt es für die Wälder eine weitere Bedrohung, denn auch in Estland richtet der Borkenkäfer zunehmend mehr Schaden an.
Am dritten Tag fand zufällig der jährliche Clean Up Day statt, an dem in ganz Estland ein Frühjahrsputz rund um alle Häuser gemacht wird. Als freiwillige HelferInnen kann man sich über eine Plattform an verschiedenen Stellen melden und so fuhren auch wir zusammen mit den Spaniern bei Sonne und frühlingshaften Temperaturen zu einem Arbeitseinsatz an der Ruine des Vastseliina Castle, wo wir mit verschiedenen Tätigkeiten unterstützen konnten. Einige von uns befreiten Teile der Parkflächen und angrenzenden Böschungen von Dreck, aber auch dem vielen Split, der während des Winters gegen den Schnee gestreut wurde und dann zusammen mit diesem über die Böschung gelangte. Andere trugen abgebrochene Äste, Schnittgut und anderen, grünen „Müll“ zusammen, der während des Winters im Tal gelandet war und wiederum andere ernteten Schlüsselblumen, die in riesiger Anzahl auf der Wiese blühten. Entlohnt wurden wir für unseren Einsatz von der Küche des Castle mit einer tollen traditionellen Suppe, leckeren mittelalterlichen Hafer-Ingwercookies und für uns extrem überraschend, einem sehr schmackhaften Tee aus Schlüsselblumen.
Anschließend fuhren wir noch nach Suur Munamägi. Wir wollten unbedingt die höchste Erhebung des ganzen Baltikums besuchen. Angekommen erklommen wir den nur 318 m hohen Hügel, auf dessen Spitze ein Aussichtsturm steht. Die Aussicht von der Plattform hatte einen richtigen Wow-Effekt. Rund um uns herum sah man Wald so weit das Auge reichte. Sogar bis zur russischen Grenze konnten wir schauen, da Russland an dieser Stelle nur noch knappe 20 km entfernt ist, was uns sehr beeindruckte und verdeutlichte, welche wichtige Funktion Estland als EU- und gleichzeitig auch Nato-Außengrenze hat und erklärt, warum in Võru neben einheimischem Militär auch amerikanische Soldaten stationiert sind.
Tag 4 und es schien wieder die Sonne. Das Wetter meinte es wirklich gut mit uns und so fuhren wir gut gelaunt nach Tartu, der nächsten größeren Stadt mit Universität. Wir starteten den Besuch mit einem Spaziergang am Fluß, bevor wir für unsere Streetart Tour in Empfang genommen wurden. Knapp zwei Stunden schlenderten wir durch Tartu, vor allem aber auch durch das Viertel Suup, welches, wie bereits in so vielen anderen Städten zuvor, durch den Zuzug vieler kreativer Menschen einen starken Aufschwung erlebte. Während Corona hat es einen regelrechten StreetArt Boom in Tartu gegeben, aus dem mittlerweile eine aktive Szene und ein jährliches StreetArtFestival entstanden sind. Unser Guide Tim erzählte uns viel über die verschiedenen Künstler aber auch die unterschiedlichen Umsetzungen, wie etwa Stencils, Sticker, Paste-Ups oder Murals, aber auch über lokale Künstler und deren typische wiederkehrende Motive wie etwa Blumen und Erdbeeren. Nach der StreetArt Tour bummelten wir noch weiter durch die Altstadt, mit ihren zahlreichen historischen Gebäuden wie die Universität, das Rathaus usw.. Dabei entdeckten wir noch ein tolles und inspirierendes Kunstprojekt von Schüler:innen, bei dem sie mit Abfall Porträts von berühmten estnischen Persönlichkeiten dargestellt hatten. Und natürlich stand anschließend auch etwas Shopping auf dem Programm, denn in Estland haben die Einkaufspassagen zum Glück auch am Sonntag geöffnet.
Eine Schule mit knapp 150 Schüler:innen von der 1. bis zur 9.Klasse - kann das denn sein? Für uns hört sich das verrückt an, schließlich haben wir alleine in manchen Jahrgängen ähnlich viel Schüler:innen. Aber Estland ist dünn besiedelt und insgesamt leben im ganzen Land weniger als 1,3 Millionen Menschen und in den Regionen außerhalb der größeren Städte leben oft wenig Menschen auf großem Raum.
Am 5. Tag unseres Aufenthaltes besuchten wir die Schule in Kääpa und waren ganz gespannt auf die Schule. Was uns als erstes auffiel, war, dass alles sehr sauber schien. Estnische Kinder und auch Lehrer ziehen ihre Schuhe in der Schule aus und wechseln in ihre Hausschuhe. Als zweites fiel uns auf, wie bunt die Wände sind. Das ganze Haus ist farbig gestaltet worden, weiße Wände gibt es kaum, vor allem nicht in den Fluren. Das macht es irgendwie auch gemütlich. Nach einer ausgiebigen Führung durch das Schulgebäude trafen wir uns im Kunstraum. Zusammen mit den spanischen Schülerinnen arbeiteten wir an einem Upcycling Projekt. Zunächst wurden verschieden farbige CDs in kleine Teile geschnitten und anschließend gezielt auf eine große Papierkugel aufgeklebt, so dass eine große Diskokugel in Form einer Weltkugel entstand.
Und dann hieß es am Nachmittag bereits schon wieder Abschied nehmen von Võru. Mit dem Bus fuhren wir die 4 Stunden zurück nach Tallinn. Hier wollten wir noch eine Nacht verbringen und am nächsten Tag ausführlich die Altstadt erkunden.
Nach einem gemütlichen Frühstück brachen wir in Richtung Altstadt auf. Wenn man durch die zahlreichen alten Gassen Tallinns läuft, dann fühlte man sich auf jeden Fall wie in eine andere Zeit versetzt, überall gibt es etwas Neues zu entdecken. Durch das Gewirr der alten Straßen gingen wir zum Domberg hinauf. Von den verschiedenen Aussichtsplattformen aus hat man eine unfassbar tolle Aussicht auf die Altstadt mit ihren alten Wehrtürmen, auf den Hafen und das Meer. Am Nachmittag ging es dann Richtung Flughafen und anschließend heim nach Paderborn, wo wir kurz vor Mitternacht alle wohlbehalten wieder ankamen.
Es war eine sehr erlebnisreiche Woche mit vielen tollen neuen Erfahrungen.
Text: DahC